Nach bisheriger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) war ein Urlaubsanspruch nicht vererblich. Lediglich ein so genannter Urlaubsabgeltungsanspruch, der dadurch entsteht, dass bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch nicht erfüllte Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers bestehen, kann auf Erben des verstorbenen Arbeitnehmers übergehen. Entscheidend war jedoch, dass der Arbeitnehmer das Ende des Arbeitsverhältnisses gewissermaßen überlebt hat. Da der Urlaubsabgeltungsanspruch als ein reiner Geldanspruch eingestuft wird, der in die Erbmasse fällt, war die Übertragung auf die Erben möglich.
Nunmehr hatte sich das BAG in zwei Angelegenheiten mit der Frage auseinanderzusetzen, ob der Urlaubsanspruch auch dann auf die Erben übergehen kann, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers beendet wird, also nach deutschem Recht noch kein Urlaubsabgeltungsanspruch entstanden ist. Die Witwen zweier Arbeitnehmer hatten die Arbeitgeber auf eine finanzielle Entschädigung für den Urlaub verklagt, den ihre Ehemänner vor ihrem Tod nicht mehr in Anspruch nehmen konnten. Es handelte sich um einen privaten Arbeitgeber und um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts.
Das Bundesarbeitsgericht hat dem Europäischen Gerichtshof (verbundene Rechtssachen C?569/16 und C?570/16) die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob Art. 7 der Richtlinie 2003/88 oder Art. 31 Abs. 2 der Charta dem Erben eines während des Arbeitsverhältnisses verstorbenen Arbeitnehmers einen Anspruch auf einen finanziellen Ausgleich für den dem Arbeitnehmer vor seinem Tod zustehenden Mindestjahresurlaub einräume, was nach § 7 Abs. 4 BUrlG in Verbindung mit § 1922 Abs. 1 BGB ausgeschlossen sei. Ferner sollte geklärt werden, ob dies, falls die erste Frage zu bejahen sei, auch im Arbeitsverhältnis zwischen Privatpersonen gelte.
Am 29. Mai 2018 hat nun der Generalanwalt am EuGH seine Schlussanträge formuliert und für folgende Lösung plädiert: Auch mit Hinweis auf die bereits entschiedene Rechtssache Bollacke (C-118/13) gehe der Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub auf die Erben des verstorbenen Arbeitnehmers im Wege der Erbfolge über bzw. könne von diesen geltend gemacht werden, wenn das Arbeitsverhältnis durch Tod des Arbeitnehmers ende. Andernfalls werde dem verstorbenen Arbeitnehmer rückwirkend sein Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub entzogen. Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG stehe hier insofern den nationalen Rechtvorschriften und Gepflogenheiten entgegen, wonach bei Tod des Arbeitnehmers der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub ohne Entstehen eines Anspruchs auf finanzielle Vergütung für den nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub untergehe und die Erben keine Zahlung verlangen könnten. Für öffentlich-rechtliche Arbeitgeber folge der Anspruch der Erben gegen den Arbeitgeber unmittelbar aus der Richtlinie 2003/88/EG, bei privaten Arbeitgebern könne dies aus Art. 31 Abs. 2 EU-Grundrechtecharte abgeleitet werden.
Es bleibt nun abzuwarten, wie der EuGH entscheidet und ob er sich der Meinung des Generalanwalts anschließt.
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